Restorative Circle

Restorative Circle

Wie es gelingt, auch in Konfliktsituationen gewaltfrei zu kommunizieren

In konfliktären Situationen vermögen die daran beteiligten Menschen in aller Regel nicht, im Sinne der gewaltfreien Kommunikation (im Folgenden „gfK“, nach Marshall B. Rosenberg) miteinander zu sprechen. Es fehlt ihnen schlicht die „Kapazität“ dafür, denn sowohl ihre Fähigkeit sich im Sinne der vier Schritte der gfK miteinander auszutauschen als auch ihre Bereitschaft dazu, sind begrenzt. Echte Verständigung gelingt dann nicht.

Und doch liegt im Modell der gfK einer der größten Schätze für die Klärung und Bewältigung von Konflikten. Was also kann dazu beitragen, die ganze Kraft der gewaltfreien Kommunikation zum Fliegen zu bringen? Was braucht es, um die Beteiligten zu befähigen, Konflikte gemeinsam zu bewältigen?

In diesem Beitrag ...

  • beleuchten wir, was in Konflikten die Kapazität der Beteiligten zu gewaltfreier Kommunikation begrenzt
  • geben wir einen Einblick in den Restorative Circle - einer Struktur, mit der es gelingt, verschüttete Kapazitäten für Verständigung in Konflikten wieder freizulegen
  • bieten wir einen Mini-Leitfaden an, mit dem ein Kern-Element des Restorative Circle selbst ausprobiert werden kann

Warum gewaltfrei kommunizieren im Konflikt so schwierig ist

Im Prinzip ermöglichen die Haltung und der Ansatz der GfK es den Beteiligten, Konflikte gemeinsam zu verstehen und zu handhaben.

Wer aber schon mal versucht hat, Menschen im Konflikt zu den 4 Schritten/Stufen der gewaltfreien Kommunikation anzuleiten, oder diese selbst in einem eigenen Konflikt umzusetzen, der weiß, wie schwer es ist, die notwendige innere Haltung einzunehmen und diese auch im Gespräch umzusetzen. Aber woran liegt das eigentlich?

Beobachtungen: Wenn ich von etwas innerlich betroffen bin, bin ich generell schlecht in der Lage Situationen oder Vorfälle ausschließlich zu beschreiben, ohne eine Geschichte darum zu entwickeln. Es fällt mir dann schwer, meine Wahrnehmung ohne emotionale Ladung mitzuteilen und von der Annahme Abstand zu nehmen, doch bereits verstanden zu haben, warum der/die Andere so gehandelt hat.

Gefühle: In Konflikten steht für mich immer etwas auf dem Spiel oder ist in Gefahr geraten. Da ist es schwierig, den anderen vollständig mitzuteilen, wie es mir damit geht und wie sich das Ganze auf mich auswirkt, ohne die anderen dafür zu verurteilen oder zu beschuldigen.

Bedürfnisse: Schon in alltäglichen Situationen ist es anspruchsvoll, meine Bedürfnisse zu erfassen oder die Beweggründe für mein Handeln konkret zu benennen. In konfliktären Situationen ist das noch erschwert, weil mir das Vertrauen in die anderen fehlt.

Beobachtungen: Wenn ich von etwas innerlich betroffen bin, bin ich generell schlecht in der Lage Situationen oder Vorfälle ausschließlich zu beschreiben, ohne eine Geschichte darum zu entwickeln. Es fällt mir dann schwer, meine Wahrnehmung ohne emotionale Ladung mitzuteilen und von der Annahme Abstand zu nehmen, doch bereits verstanden zu haben, warum der/die Andere so gehandelt hat.

Wünsche: Auch einen Wunsch so konkret und einfach zu formulieren, dass mein Gegenüber tatsächlich weiß, welches Verhalten ich mir wünsche, ist herausfordernd. Vor allem dann, wenn ich im Konflikt eigentlich Forderungen stellen möchte und ein Wunsch es dem Adressaten völlig freistellt, ihn zu erfüllen - oder auch nicht.

Restorative Circle – ein Gesprächswerkzeug für gfK in Konflikten

Was es daher braucht, sind geleitete Gesprächsstrukturen, die dabei helfen gfK auch in Konflikten wirklich konsequent umzusetzen. Sie dienen dazu, auszuhebeln, was Verständigung bei einem sich selbst überlassenen Dialog im Konflikt sabotiert oder verhindert.

Eine unserer Erfahrung nach beinahe geniale und sehr stringente Gesprächsstruktur, die wir dafür seit über 10 Jahren einsetzen, ist der von Dominic Barter entwickelte Restorative Circle.

Restorative Circle hilft den Konfliktbeteiligten über ihre automatischen Verteidigungs- oder Abwehrmechanismen hinweg, befördert ihre Bereitschaft, sich mitzuteilen und wirklich zuzuhören und legt ihre Fähigkeit frei, in Sprache darzulegen, was im Konflikt meist ein amorpher Kosmos aus Emotionen ist.

Restorative Circle befähigt die Beteiligten, die Auswirkungen und die Ursachen von Konflikten gemeinsam zu erkunden. Sie entschlüsseln miteinander die hinter einem Konflikt liegende Botschaft. In einem stark strukturierten Gespräch werden auf beinah magische Art und Weise alle Aspekte spürbar, die mit der konfliktären Situation für jeden Einzelnen verbunden sind und alle können nachempfinden, worum es dabei geht. Die Verbindung, die zwischen Menschen im Konflikt unweigerlich abreißt, wird dabei wieder hergestellt. Daher kommt auch der Name „Restorative“ Circle.

Der Pendel-Dialog im Restorative Circle

Jetzt fragst Du Dich vielleicht, wie das genau funktioniert. Eigentlich ist das Vorgehen sehr einfach und unkompliziert: Im Kern steht ein klar strukturierter und von der FacilitatorIn angeleiteter Pendel-Dialog, der den Beteiligten immer wieder die gleichen Leitfragen stellt.

Zunächst bekommen diejenigen, die von einer Situation betroffen sind – Dominic Barter nennt sie die Empfänger einer Handlung – Gelegenheit, zu erläutern, was eine Handlung bei Ihnen ausgelöst hat. Danach legen die Handelnden ihre Beweggründe dar. Beide Spiegeln jeweils das Gehörte. Die Beteiligten bleiben so lange bei ihrem Pendeln aus Mitteilen und Spiegeln, bis die jeweils mitteilende Person das Gefühl hat, wirklich verstanden worden zu sein und dies auch verbal bestätigt.

Restorative Circle ist ein Gesprächsraum, der darauf ausgelegt ist, dass sich die Beteiligten sorgfältig mitteilen und vollständig nachempfinden können, wie die anderen es erleben. Das Verfahren geht davon aus, dass Verständigung ein Erkundungsprozess ist, in dem sowohl die Mitteilende im Sprechen erforscht, worum es ihr eigentlich geht, als auch die Hörende die eigene innere Resonanz darauf schärfen kann, um im Ergebnis wirklich hören / nachempfinden zu können, was im Gegenüber vorgeht. Nach jedem Mitteilen erfolgt daher die Frage an die jeweils zuhörende Person: „Was ist das Wesentliche dessen, was Du gehört hast?“ und dann die Rück-Frage an die mitteilende Person: „War es das, was Du wolltest, dass sie hört oder weiß?“ Meist sind mehrere Schleifen in diesem Pendeldialog erforderlich, bis eine mitteilende Person bestätigt: „ja, jetzt hast Du es verstanden“.

Ein Schlüssel für die Wirksamkeit ist also, dass die Aufmerksamkeit der Menschen bewusst gelenkt wird und eine große Sorgfalt aller Beteiligten im Entdecken der Aspekte herbeigeführt wird, die für die Handhabung des Konflikts essenziell sind. Die Beteiligten werden zunächst aufgefordert mitzuteilen, wie es ihnen geht. Dabei werden ihre Gefühle nachvollziehbar. Dann werden sie aufgefordert und angeleitet mitzuteilen, was sie bewogen hat, so zu handeln. Ihre Absichten und dahinter liegende Bedürfnisse werden nachvollziehbar.

Leitfaden zum selbst Ausprobieren

Vielleicht haben Sie Lust, es selbst mal auszuprobieren? Hier kommt eine kleine Anleitung dafür.

Wenn das nächste Mal jemand ein emotional geladenes Problem mit Ihnen hat und Ihnen gegenüber emotional reagiert, können Sie folgendes tun:

Hören Sie Ihrem Gegenüber aufmerksam, interessiert und wohlwollend zu. Reagieren Sie nicht. Hören Sie der Person einfach zu. Hier ist innere Haltung wichtig, weil keine FacilitatorIn dabei ist.

Hören Sie mit der Intention zu, wirklich zu verstehen, was sie bewegt. Wenn sie dann eine Pause macht, dann fragen Sie, ob es in Ordnung ist, dass Sie mit Ihren Worten nochmal das Wesentliche wiedergeben, was bei Ihnen angekommen ist.

Wenn die Person das bejaht, beschreiben Sie mit eignenen Worten, was bei Ihnen angekommen ist. Was haben Sie gehört? Was ist das Wesentliche? Achtung, das ist gar nicht so einfach! Interpretieren Sie das Gehörte nicht, bieten Sie keine Erklärung an und rechtfertigen Sie sich nicht. Geben Sie nur wieder, was Sie gehört haben.

Zum Schluss fragen Sie die Person, ob es das ist, was sie Sie wissen lassen wollte.

Meist ergänzt sie dann noch etwas, was sie in Ihren Ausführungen vermisst hat oder wo Sie es nicht genau getroffen haben. Spiegeln Sie auch das mit Ihren Worten. Machen Sie mehrere Schleifen, bis Ihr Gegenüber bestätigt, dass Sie jetzt vollkommen erfasst haben, worum es geht.

Und dann schauen Sie, was geschieht.

Ein wichtiger Hinweis: wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie dieser Person wirklich zuhören können, dann machn Sie es nicht. Machen Sie es nur, wenn Sie wirklich wissen und nachempfinden wollen, wie es ihr geht.

Wir wünschen Ihnen gutes Ausprobieren und sind neugierig, welche Erfahrungen Sie damit machen? Welche Erkenntnisse stecken für Sie darin? Schreiben Sie uns gerne davon, wenn Sie mögen!

Restorative Circle Training im November

Vielleicht sind Sie neugierig, wie der Prozess im Detail ausschaut und wie es Ihnen gelingt, Konflikte damit zu begleiten. Sie können das in unserem Training vom 18.-20. November 2024 lernen.

Wir würden uns freuen, wenn Sie dabei sind, denn es ist uns ein echtes Herzensanliegen, Restorative Circle weiter zu verbreiten.


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